in memoriam Gerd Dudek (1938-2022)

Der Musikjournalist, Autor und Klangkünstler Michael Rüsenberg lädt Jazzgrößen bei „Speak Like A Child“ zu einem interessanten Austausch ein. Der Titel der Reihe geht zurück auf das Titelstück des legendären Herbie Hancock-Albums von 1968 und ist eine Referenz an die musikalische Grundfarbe des Stadtgartens. Jetzt gibt es die beliebte Interviewreihe auch als Podcast, zu hören hier auf dieser Website, Spotify und iTunes.

Gerd Dudek

Gerd Dudek © Gerhard Richter

Wenn es je einen „musicians' musician“ im deutschen Jazz gab, dann Gerd Dudek. Der Saxophonist, insbesondere am Tenor, technisch ausgereift, elegant und stilistisch extrem adaptionsfähig, von der Filmmusik bis zum Free Jazz, zog viel Bewunderung von Kollegen auf sich. Der Trompeter Woody Shaw (1944-1989) wird zitiert mit den Worten über ihn: „Ich möchte einmal so spielen können, wie Du spielen kannst!“

Dudek hatte, verglichen mit heute, eine Schmalspurausbildung an der Musikschule Hilchenbach (bei Siegen). Mit 20 spielt er beim NDR Jazzworkshop mit Oscar Pettiford und Kenny Clarke, 1960-1964 im Orchester Kurt Edelhagen. Parallel dazu stößt er in Köln auf den Kreis um Manfred Schoof und Alexander von Schlippenbach. Ja, er gehört zur ersten Garde des deutschen Free Jazz; 1966 Globe Unity Orchestra, und 1968 ist er, was kaum jemand weiß, bei der Premiere von Brötzmanns „Machine Gun“ in Frankfurt dabei.

Anfangs von Stan Getz, später von John Coltrane und, nach eigenem Bekunden, auch von Albert Ayler beeinflusst („das Horn muss singen!“), findet Dudek zu einem sehr eigenen Ausdruck - weitgehend unbemerkt von einem größeren Publikum. Nur wenige Stücke und Alben sind von ihm überliefert, Ehrgeiz zu einer „richtigen“ Karriere war ihm fremd; er blieb, wie Joachim Kühn zutreffend formuliert, „der ewige sideman“. Gerhard Rochus „Gerd“ Dudek, geboren am 28. September 1938 in Groß Döbbern bei Breslau, starb am 3. November 2022 in Köln an den Folgen eines Herzinfarktes. Er wurde 84 Jahre alt. Am 24. Januar 2023 fand im Stadtgarten ein Farewell Gerd Dudek statt.

Die Interviews (bis auf Brötzmann, Schlippenbach, Schoof und Oswald Dudek) wurden bei dieser Gelegenheit geführt.

Manfred Schoof

Manfred Schoof © Gerhard Richter

Manfred Schoof, 87, hat Gerd Dudek erstmals 1957 in einem Hamburger Club gehört. Mitte der 60er gehört er zum legendären Schoof Quintett.
Bei seiner letzten Aufnahme mit ihm, 2020, einer Orchesterfassung von Schoofs berühmter Komposition „European Echos“, spielt Dudek auf dem Sopransaxophon.

Peter Brötzmann

Peter Brötzmann © Karl-Heinz Krauskopf

Gerd Dudek war einer von vier Saxophonisten bei der Uraufführung von Brötzmanns „Machine Gun“, am 24. März 1968 beim Deutschen Jazzfestival in Frankfurt/Main. An der berühmten Plattenaufnahme, kurze Zeit später in der „Lila Eule“ in Bremen, war er aus Termingründen verhindert.

Joachim Kühn

Joachim Kühn © Gerhard Richter

Joachim Kühn, 79, spielte früher gelegentlich auch Altsaxophon. Für sein Album „This Way out“ (1973) schrieb er eine saxophone battle für Dudek und sich. Sie geht so ab, wie der Titel verspricht: „Do dat Dudek!“

Alexander von Schlippenbach

Alexander von Schlippenbach © Gerhard Richter

Alexander von Schlippenbach, 85, kennt Gerd Dudek aus gemeinsamen Tagen mit dem Schoof Quintett, z.B. im „Kintopp Saloon“ in Köln. Dudek hat über Jahrzehnte in dem von ihm geleiteten Globe Unity Orchestra gespielt.

Jasper van't Hof

Jasper van't Hof © Gerhard Richter

Jasper van´t Hof, 75, hat Gerd Dudek (als Dozent) auf einem der renommierten Jazzkurse in Remscheid kennengelernt und später mit ihm in der Band von Manfred Schoof gespielt.

Martin Sasse

Martin Sasse © Gerhard Richter

Martin Sasse, 55, hat noch bis kurz vor dessen Tod mit Gerd Dudek gearbeitet. Er ist auch an dessen letztem Album beteiligt, „With you“.

Paul Heller

Paul Heller © Gerhard Richter

Paul Heller, 52, ist Mitglied der WDR Big Band. Er hat Gerd Dudek zunächst als Nachbar in Köln-Nippes angesprochen und sich bis zuletzt als Kollege (auf der Bühne) über dessen Kraft gewundert.

Oswald Dudek

Oswald Dudek © Michael Rüsenberg

Oswald „Ossi“ Dudek, 88, lebt in Berlin. Er ist das älteste von sechs Geschwistern. Wie sein Bruder Gerd ist er in Schlesien geboren, bevor die Familie Anfang der 50er Jahre nach Siegen zog. Ossie hat Gerd in Siegen auf den Jazz gebracht, kurze Zeit spielten sie gemeinsam in einer 12-köpfigen Band. Nachdem die beiden Musiker der Familie nach 1954 getrennte Wege gingen, blieb Oswald beim traditionellen Jazz, beim Swing. Er hat lange Jahre in „Ami-Clubs“ gespielt, bis hinunter nach Marokko, und zuletzt im Polizeiorchester Berlin, 1982-1997.

Text: Michael Rüsenberg

Manfred Schoof

„Der konnte alles spielen, dazu brauchte er sich nicht verändern, denn er hat im Grunde ja immer sich selbst gespielt.“ (00:00)

Peter Brötzmann

„Ich bin ein bißchen jünger als Dudek, und ich hatte damals keine Ahnung vom Saxophonspielen. Und Gerd war für mich immer der Held, der alles konnte. Und alles so wunderbar musikalisch machte.“ (00:00)

Joachim Kühn

„Er war der komplette Musiker, der alles konnte. Er war leider als Mensch nicht so dominant, um viele eigene Sachen zu machen. Er war eigentlich der perfekte sideman.“ (00:00)

Alexander von Schlippenbach

„Dudek ist der Auserwählte, dem's der Herr im Schlaf gegeben hat…“ - Schlippenbach rezitiert ein eigenes Gedicht über Gerd Dudek (00:00)

Jasper van´t Hof

„Du sitzt zu Hause und schreibst Gerd Dudek eine Melodie. Du bist ganz allein. Und du gibst sie Gerd, und du sagst 1,2,3,4 - und er spielt genau die Töne! Er spielt es, wie es seelisch gespielt werden muss.“ (00:00)

Martin Sasse

„Woody Shaw soll zu ihm gesagt haben: 'Ich möchte einmal so spielen können, wie Du spielen kannst!' Ich glaube, wenn er eine andere Persönlichkeit gewesen wäre - aber wahrscheinlich wollte er das ja gar nicht - hätte der weltberühmt werden können.“ (00:00)

Paul Heller

„Mir hat viel imponiert. Das fängt mit dem Sound an, mit der Kraft, die er hat, gepaart mit Schönheit. Der hat eine Kraft gehabt auch in den letzten Jahren, dass ich dachte 'Oh, ich muss jetzt noch eine Schüppe drauflegen!'“ (00:00)

Oswald Dudek

„In Siegen fing dann die Zeit an, wo wir Swingmusik machten. Louis Armstrong, Benny Goodman, Glenn Miller, das waren unsere Vorbilder. Er hat Bauzeichner gelernt, und ich hatte auch einen anderen Beruf gelernt, ich habe Bauschlosser gelernt.“ (00:00)
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